Unsinnige Transparenz

Die Politik wollte die Benzinpreise senken – seitdem gibt es mehr Preisschwankungen. Seit Dezember ist die Transparenzstelle des Bundeskartellamts im Einsatz. Doch nur wer dauernd vergleicht, kann wirklich Geld sparen.

Bonn. Mit dem Bundeskartellamt kommt der deutsche Durchschnittsbürger selten in Kontakt – es sei denn, sein Arbeitgeber steht im Verdacht den Markt zu manipulieren. Dann schauen die Beamten aus Bonn schon mal gern zur Bürodurchsuchung vorbei, nehmen haufenweise Akten und Festplatten mit, durchleuchten die Geschäftsbeziehungen und suchen nach Absprachen mit der Konkurrenz.

Seit Dezember vergangenen Jahres ist das anders. Seitdem hat bereits jeder vierte Deutsche indirekt Kontakt mit dem Kartellamt gehabt: über einen Webbrowser oder eine Smartphone-App. Denn seit sieben Monaten gibt es die „Markttransparenzstelle für Kraftstoffe“.

Hinter dem sperrigen Begriff verbirgt sich folgendes Konstrukt: Bis zu 14.000 Tankstellen melden der Behörde täglich ihre Preisänderungen bei Benzin, Diesel Co. Das Kartellamt gibt die Daten an private Verbraucherdienste weiter. Über Internetseiten, Navigationssysteme und diverse Apps (zum Beispiel „TankenApp“ oder „ADAC Spritpreise“) können Autofahrer damit dann die günstigste Tankstelle in ihrer Umgebung finden.

Die ehemalige schwarz-gelbe Bundesregierung schuf das Werkzeug ursprünglich, um Druck auf die Preise auszuüben. Nach sieben Monaten ist klar: Das ist nicht passiert. „Das eigentliche Ziel der Politik wurde nicht erreicht“, sagt Sigrid Pook, Geschäftsführerin des Bundesverbands Tankstellen und Gewerbliche Autowäsche. „Leider hat sich durch die Einrichtung der Markttransparenzstelle keine von uns erhoffte Preisberuhigung ergeben.“ Die Schwankungen hätten sogar noch zugenommen.

Das gibt auch Kartellamtschef Andreas Mundt zu. Wurde der Sprit früher meist am Freitag teurer, gebe es die Preissteigerungen nun fast jeden Tag. „Aral und Shell sind dabei sehr häufig die Preistreiber“, erklärt Mundt. Meist würden die Preisrunden um 20 Uhr beginnen, Esso und Total zögen eine Stunde später nach, Jet erst gegen 23 Uhr.

Trotzdem lohne sich der Service, meint Mundt: „Die Verbraucher können damit jeden Tag viel Geld sparen.“ In einer ersten Auswertung für 120 Anbieter in der Region Köln läge die Preisspanne zwischen günstigster und teuerster Tankstelle im Schnitt bei 20 Cent. Wer davon profitieren will, muss aber dauernd vergleichen.

Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Center Automotive Research an der Uni Duisburg-Essen, hält nichts von der Markttransparenzstelle. „Das ist der größte Unsinn seit der Erfindung des Benzins“, sagte er dem Handelsblatt. „Jeder weiß, dass schwankende Preise noch lange kein Hinweis auf ein Kartell sind. Die Einrichtung war politisch lanciert, um zu zeigen, dass die FDP viel für den Autofahrer tut.“

Vor allem kleinere Tankstellen mit schlechterer Software seien bestraft worden durch die neue Regelung. „Es sind hohe Administrationskosten entstanden“, erklärt Dudenhöffer. Und die zahle letztendlich der Autofahrer. „Die Einrichtung war natürlich eine Herausforderung und mit Kosten verbunden“, sagt auch Pook vom Tankstellenverband. Mittlerweile sei der Aufwand aber nicht mehr hoch. Kleine Tankstellen könnten von der Transparenzoffensive sogar profitieren: „Viele Verbraucher werden erst dadurch auf sie aufmerksam.“

Co-Autorin: Johanna Geuecke

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