Rockstar mit Sattel

Das Wunderpferd Totilas wird vermarktet wie ein Rockstar. Nicht alle im Reitsport halten das für gut.

Berlin. Stolz sieht der Ritter aus. Das Visier ist hochgeklappt, der Blick schweift in die Ferne. An seiner Seite steht ein glänzend schwarzes Pferd, eine gelbe Decke mit einem schwarzen Bärenwappen auf dem Rücken. Die beiden sind bereit, in den Kampf zu ziehen.

Das ist keine Szene aus einem Geschichtsbuch oder von einem Mittelalterfest – sondern eine Fotostory im offiziellen Heft des Aachener CHIO, dem größten internationalen Reitturnier in Deutschland, das noch bis zum kommenden Sonntag stattfindet. Der Ritter ist Matthias Alexander Rath, deutscher Dressurreiter und 26 Jahre jung. Das Pferd ist Totilas, ein millionenschweres, inzwischen berühmtes Ausnahmetier.

Es ist der vorläufige Höhepunkt einer Inszenierung, die aus einem sehr guten Pferd einen Rockstar macht. Seit dem ersten Turnier-Auftritt im Juni in München dreht sich die ganze Pferdesportwelt nur noch um Totilas, den Züchter Paul Schockemöhle Ende vergangenen Jahres für geschätzt zehn Millionen Euro aus den Niederlanden nach Deutschland holte. Seitdem will jeder Pferdefan das schwarze Wundertier mit eigenen Augen sehen, wo Totilas startet, drängen sich Zuschauer.

Vielen gilt das Paar Rath/Totilas schon als deutsche Medaillenhoffnung für Olympia 2012. Für Michael Mronz, Chef der PR-Firma MM Promotion, der das Duo vermarktet, hat das Pferd sogar eine Aura „wie Barack Obama“.

Das Tier hat eine Aura „wie Barack Obama“

Einigen allerdings geht die Vermarktung zu weit. „Dieses ganze Brimborium ist einfach zu viel. Das setzt nur den jungen Reiter unter Druck“, sagt Madeleine Winter-Schulze. Die Mäzenin des Reitsports, die mehrere Spring- und Dressurpferde besitzt, unterstützt seit vielen Jahren Profis wie Ludger Beerbaum und Isabell Werth. Sie sagt: „Auch wenn wir so ein Pferd im Stall hätten – wir würden so etwas sicher nicht machen.“ Ritterfotos und Merchandising, das habe mit dem Reitsport nicht mehr viel zu tun.

Anders sieht das Kai Meesters. Der PR-Stratege arbeitet bei MM Promotion. Er hat etwa T-Shirts mit „Totilas – my number one“ bedrucken lassen und nun zum CHIO auch noch die Totilas-Tasse aufgelegt. Zum Preis von 9,95 Euro kann man so schlückchenweise am Ruhm von „Toti“ und Rath teilhaben. „Wir werden nicht von Anfang an die ganze Merchandising-Palette auffahren“, sagt Meesters. Auf dem Weg zu Olympia wird es für „Deutschlands neue Hoffnungsträger“ – so lautet der Werbetext von MM Promotion – wohl noch so einige vermarkterische Neuerungen geben.

Dabei ist die Auswahl an Fanartikeln jetzt schon groß: Die exklusive Totilas-Kollektion hat zwölf verschiedene Teile, darunter Polo-Shirts, Fleecejacken und Longsleeves. Die Preise bewegen sich zwischen 89 und 119 Euro, die Mode vertreibt die Sylter Restaurant- und Nobelmarke Sansibar.

Totilas-Tasse

Hoch die Tassen: Eins der vielen Merchandising-Produkte. Foto: MM Promotion

Hochglanz-Fotostrecken, professionelle Vermarktung, Fanartikel. Das alles klingt mehr nach einer Konzerttour von U2 oder einem Fußballspiel vom FC Bayern. „Ich sehe das Ganze eher positiv für den Reitsport“, sagt die Dressurreiterin Heike Kemmer, die in ihrer Karriere schon zweimal olympisches Gold geholt hat. „Es hat in Deutschland noch nie ein vergleichbares Dressurpferd gegeben. Das Tier und das ganze Drumherum sind eben einfach einmalig.“ Durch Totilas interessierten sich Menschen für den Sport, die vorher nichts mit Reiten anfangen konnten. Und endlich habe der Reitsport in der Öffentlichkeit wieder eine positive Seite. „Es ist mir lieber, über zu viel Merchandising zu reden, als über Doping wie bei Olympia 2008 in Hongkong.“

Am Donnerstag starten Matthias Rath und Totilas in Aachen im Grand Prix, Samstag beim Grand Prix Special, Sonntag in der Kür im Nationenpreis. Mit Spannung wird vor allem die letzte Prüfung erwartet. Bei den Deutschen Meisterschaften in Balve zeigten die beiden im Juni zum ersten Mal eine Kür, die Musik dafür komponierte Paul van Dyk, einer der angesagtesten DJs der Elektroszene. Sie gewannen.

Dann aber wurde Rath vorgeworfen, er habe die Kür des Niederländers Edward Gal kopiert und sei sie spiegelverkehrt geritten. Gal war zuvor Totilas Reiter gewesen, er gewann mit dem Pferd 2009 die EM und wurde 2010 Weltmeister. Am Wochenende treffen Gal und Rath erstmals aufeinander. Gut gerüstet sein – das wird Rath sicher nicht schaden.

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