Laut EU-Kommission soll im Lauf des Jahres ein einheitliches Ladegerät für alle datenfähigen Mobiltelefone in Europa auf den Markt kommen. Wie soll das genau aussehen?
Viele Handymarken, viele verschiedene Ladegeräte. In den meisten Haushalten lagern noch die Netzkabel der letzten drei Mobiltelefone. Insgesamt sind mehr als 30 Typen von Ladegeräten im Umlauf. Das soll sich ändern: Die Europäische Kommission und 14 Handyhersteller haben sich auf ein universales Ladegerät geeinigt. Die Produktion soll noch im ersten Halbjahr beginnen, wie die Kommission und der Branchenverband Digitaleurope am Dienstag in Brüssel erklärten. Die Lösung für alle Handynutzer der Zukunft in den 27 EU-Staaten heißt Micro-USB. Die Schnittstelle fürs Mobiltelefon ist etwas kleiner und dünner als der große Bruder USB – ein Anschluss, der mittlerweile zum Datenübertragungs-Standard jedes Computers geworden ist.
Der Micro-Anschluss passt auch in Mobiltelefone mit ultraflachem Design, auf der anderen Seite steckt man das Kabel in den Computer. Handys können dann über den PC aufgeladen werden, per mitgeliefertem Adapter aber auch klassisch in der Steckdose.
„Das ist wirklich eine gute Nachricht für die europäischen Verbraucher“, sagte Industriekommissar Antonio Tajani. „Ich appelliere an die Industrie, die Markteinführung zu beschleunigen, damit die Bürger überall in der EU sobald wie möglich von den Vorteilen profitieren können.“ In Europa sind nach EU-Angaben rund 500 Millionen Mobilfunkgeräte im Einsatz.
Profitieren werden aber nicht alle, sondern nur Besitzer der neuesten Handymodelle. Denn unter die Regelung fallen vor allem die so genannten Smartphones – Handys, die eigentlich kleine Computer sind und für mobile Dienste wie Email, Internet und verschiedenste Anwendungen (Apps) konzipiert wurden. Auch herkömmliche Mobiltelefone, die sich zum Transfer von Fotos oder Adressdaten mit dem PC verbinden lassen, können den neuen Standard nutzen. Ganz einfache Handys, mit denen man „nur“ telefonieren und simsen kann, bleiben außen vor. Dabei machen diese Geräte noch einen Großteil auf dem deutschen Markt aus.
Branche setzt ihre Hoffnungen auf die Smartphones und mobile Dienste
Die Branche setzt mit der Entscheidung klar auf die mobilen Alleskönner. Bereits heute ist jedes dritte verkaufte Handy in Deutschland ein Smartphone. Nach Prognosen des deutschen Branchenverbands Bitkom soll der Absatz der Geräte im Jahr 2011 um 36 Prozent zulegen, auf dann 10,1 Millionen Geräte. Der Handy-Absatz insgesamt soll nur um 4,3 Prozent auf 29 Millionen Geräte steigen.
Künftig werden die Universal-Ladekabel separat in den Handel kommen – und nicht wie bisher bei jedem neuen Handy mitgeliefert. Ob die Geräte dann billiger werden, ist noch unklar. Die EU-Kommission hofft jedenfalls auf sinkende Preise – und mehr Umweltschutz. Denn bislang entstehen pro Jahr geschätzt mehr als 50 000 Tonnen Elektroschrott durch weggeworfene Handyladekabel.
Schon heute benutzen einige Hersteller den Micro-USB-Anschluss zum Übertragen von Daten oder zum Aufladen, darunter HTC, Motorola und Palm. Der neuen Initiative haben sich auch die Branchenriesen Nokia, Sony Ericsson und iPhone-Hersteller Apple angeschlossen. Mit der neuen Regelung erfüllt die Mobilfunkindustrie eine Forderung der EU von 2009. Die Hersteller hatten sich damals freiwillig zur Einführung eines Universalgerätes entschlossen – im Gegenzug verzichtete die Europäische Kommission auf gesetzliche Regelungen. Hintergrund ist die EU-weite Harmonisierung von Produktstandards.
Die Vision von EU und Hightech-Branche hört aber nicht bei den Handys auf. „Wir erhoffen uns eine Signalwirkung auch für andere Bereiche“, sagte Bitkom-Sprecher Marc Thylmann. „In absehbarer Zeit braucht man im Urlaub nicht mehr ein spezielles Ladegerät für die Digitalkamera, eines für den MP3 Player sowie weitere für die verschiedenen Handys – sondern nur noch eines für alles.“