Islamisten planten einen Terroranschlag in Düsseldorfs Altstadt, der „Längsten Theke der Welt“. Manche Ladenbesitzer sind fassungslos, andere Düsseldorfer gelassen. Sie fürchten weniger den Terror als andere Gefahren.
Düsseldorf. Als Judith Mailahn das erste Mal von den Anschlagsplänen hört, schenkt sie einem Stammgast gerade ein Glas Wein ein. „Jetzt verstehe ich auch, warum hier so viele Polizisten rumgefahren sind“, sagt sie. Die 46-Jährige arbeitet im „Et Kabüffke“, einer Düsseldorfer Institution in der Altstadt, berühmt für Killepitsch, bitteren Kräuterschnaps. Abends ist die kleine Kneipe brechend voll. „Aber was soll‘s, du darfst dich nicht verrückt machen lassen.“
Hier wollten sie angeblich zuschlagen, die vier Islamisten, mit Sprengstoffgürteln und Gewehren. Hier, wo Hunderte Restaurants, Bars und Geschäfte auf engstem Raum nebeneinanderliegen. Manche der Ladenbesitzer sind fassungslos.
„Alle abschieben“, sagt einer von ihnen. „Wer für Terror nach Deutschland kommt, muss sofort wieder raus.“ Vor 25 Jahren kam er selbst aus der Türkei, heute betreibt der Kurde einen Tabakladen. „Wegen solcher Idioten haben viele Leute Angst vor mir.“ Schon länger spürt er den Rassismus, der mit jedem Anschlag wächst. Wenn er in den Bus einsteige, setzten sich manche Menschen in die letzte Reihe.
Vor dem „Dä Spiegel“ macht Claudia gerade Raucherpause. Sie hat schon von den Festnahmen gehört, doch die Bedienung in der Traditionskneipe demonstriert ihre Ruhe geradezu. „Wenn wir uns die Lebensfreude nehmen lassen, haben die gewonnen“, sagt sie mit Blick auf die Islamisten. Claudia zieht an der Zigarette. „Leben ist immer lebensgefährlich.“ Angst hat sie eher vor der „Panikmache“, die jetzt drohe.
Ihr Arbeitsplatz liegt direkt auf der Bolker Straße, Düsseldorfs größter Ausgehmeile in der Altstadt, der „Längsten Theke der Welt“. Jedes Wochenende fallen hier Scharen von Touristen ein. Terrorangst könnte ihnen nun die Feierlaune verderben.
David Pogatzki, 26, und Rik Derksen, 22, nippen gerade an ihrem Altbier, als sie von dem vereitelten Anschlag erfahren. Die beiden Geschichtsstudenten stehen vor dem „Uerigen“, einer von Düsseldorfs Hausbrauereien. Auf der Straße, die sich bis zum Rhein zieht, stehen bei gutem Wetter Hunderte Menschen, vor allem am Wochenende.
„Man kann genauso gut vom Bus überfahren werden“
„Es ist schon in so vielen Ländern was passiert“, sagt Pogatzki. „Vielleicht muss man sich an diese Bedrohung gewöhnen in der globalisierten Welt.“ Nur den Alltag, den dürfe man sich nicht davon bestimmen lassen. „Man kann genauso gut vom Bus überfahren werden“, sagt er. Die Vorurteile gegen Ausländer werde der Vorfall aber leider weiter schüren, meint sein Kommilitone Derksen. Bei Männern mit langem Bart würden die Menschen nun noch misstrauischer hingucken.
Von Angst will ein Mann, der in der Altstadt arbeitet, nichts wissen. Nein, Angst habe er nicht, sagt ein Pakistaner. Dann hätte er hier nicht so lange durchgehalten, zwischen all den Betrunkenen und Kriminellen. Die Schuld für den islamistischen Terror sieht er in der Einwanderungspolitik. „Sollen sie doch noch mehr Flüchtlinge aufnehmen“, sagt er. „Jetzt waren ein paar auffällig, wer weiß, wie viele es noch von denen gibt?“
„Ich schäme mich“, erklärt ein türkischer Ladenbesitzer in Düsseldorfs Alstadt. „Ich bin selbst Moslem. Aber dieser Terror, das hat mit Religion nichts mehr zu tun.“ Er kommt ursprünglich aus Istanbul, seit 25 Jahren lebt er in Deutschland. Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen, aus Angst. Erst vor ein paar Wochen standen ein paar Männer in seinem Laden, alle mit langem Bart. „Sie sahen aus wie Salafisten“, erzählt er.
Er wollte ihre Meinung wissen zu Syrien, zum IS. Die Antwort: „Wieso, hast du ein Problem mit dem IS?“ Nicht persönlich, habe der Ladenbesitzer geantwortet. Aber er finde es schrecklich, dass dort Menschen einfach der Kopf abgeschlagen wird. „Dann haben sie mich böse angeguckt und sind sofort gegangen“, erinnert er sich. „Beim Rausgehen haben sie den Zeigefinger gehoben“, wie eine Drohung.
Co-Autor: Alexander Demling