Bayern gegen Barcelona: Da treffen Fußballwelten aufeinander – sportlich wie kulturell. Hier die reichen Deutschen, dort ein Klub, der hoch verschuldet ist. Barcelonas Vizepräsident Javier Faus erklärt, warum er darauf stolz ist.
Barcelona. Der Vizepräsident des FC Barcelona, Javier Faus, hat dem Handelsblatt drei Wochen vor dem Spiel gegen den FC Bayern ein Interview gegeben. Damals war noch nicht klar, dass die beiden Klubs schon im Halbfinale aufeinander treffen würden. Und schon gar nicht konnte Faus ahnen, wie grandios seine Mannschaft im Hinspiel der Champions League kicken würde (3:0). Dennoch hoffen die Münchner noch auf das Fußballwunder. Wunder ganz anderer Art beschreibt dagegen Faus. Nicht nur sportlich, sondern auch wirtschaftlich grenzt er seinen Klub deutlich vom FC Bayern ab. Und das, obwohl die Deutschen immerhin als reichster Fußballklub der Welt gelten.
Herr Faus, wie würden Sie die finanzielle Situation Ihres Vereins beschreiben?
Viel stabiler als im Jahr 2010, als meine Kollegen und ich in den Vorstand gekommen sind. Im Vergleich zu damals haben wir den Ebit (Gewinn vor Zinsen und Steuern) verdoppelt – mittlerweile liegt er bei 130 Millionen Euro. Gleichzeitig investieren wir und bauen Schulden ab.
Die Verbindlichkeiten sind mit 280 Millionen Euro aber immer noch sehr hoch…
Ja, aber wir sind vor fünf Jahren bei einem Schuldenstand von 431 Millionen Euro gestartet. Heute stehen wir bei 280 Millionen. Und nur etwa 100 Millionen davon sind Bankschulden.
Das ist trotzdem nicht ohne.
100 Millionen Euro Bankschulden sind nicht viel, wenn man ein Ebit von 130 Millionen Euro einfährt. Zudem haben wir eine neue Finanzregel eingeführt: Wenn wir ein Jahr mit einem Verlust abschließen, müssen wir das Minus in den nächsten zwei Saisons wieder einspielen. Und wir haben uns ein Schuldenlimit gesetzt: Das lag erst bei 3,25 Prozent vom Ebit, dieses Jahr darf es nicht mehr als 1,5 Prozent vom Ebit sein.
Der FC Bayern ist schuldenfrei, hat mehr als 400 Millionen Euro an Eigenkapital. Sind Sie neidisch auf die Münchner?
Nein, denn wir sind ein wahres Wunder in der Fußballwelt. Wir sind weltweit zusammen mit Real Madrid der einzige Club, der unabhängig ist. Wir haben keine multinationalen Konzerne im Hintergrund wie Bayern München. Wir haben keinen Scheich, wir haben keinen Milliardär oder eine Private-Equity-Gesellschaft. Wir haben nur uns selbst, unsere Fans und den Wert unserer Marke. Ich möchte nicht wie der FC Bayern von vier Konzernen kontrolliert werden. Das würde für uns heißen, dass unser Ausrüster Nike und der Trikotsponsor Qatar Airways uns kontrollieren – das will ich nicht. Wir sind sehr stolz darauf, dass bei uns die Fans die Kontrolle haben.
Aber rein finanziell gesehen muss Bayern doch ein Vorbild für Sie sein…
Wenn Sie auf den Nettogewinn schauen – da sind wir in den letzten Jahren besser als die Bayern. Wir sind zudem mehr wert als Marke, laut Forbes-Magazin liegen wir vor den Bayern. Also: Bayern ist für uns kein Beispiel.
Der Gewinn des letzten Jahres setzt sich doch vor allem aus den Verkäufen von ihren Spielern Thiago Alcântara, übrigens zum FC Bayern, und Cesc Fàbregas zusammen…
Sie haben Recht. Die Verkäufe von Fàbregas und Thiago machen allein 25 der 41 Millionen Euro Gewinn aus. Das ist für uns eine große Herausforderung.
Aber ist das Ihre Strategie: Gute Spieler verkaufen, um Gewinn einzustreichen?
Nein, absolut nicht. Transfers sind auch niemals mit der Finanzstrategie verbunden. Als Luis Enrique dieses Jahr als Trainer anfing, wurde er von Fàbregas gefragt, ob er gehen kann – und nicht andersrum. Bei Alexis Sánchez war es dieses Jahr das gleiche. Er wollte neue Herausforderungen, er wollte mehr Geld. Durch den Verkauf zu Arsenal werden wir wieder Gewinn machen, aber nicht so hoch wie im vergangenen Jahr. Das alles zeigt auch, wie die Gehälter der Spieler und die Transfersummen immer weiter steigen.
Können Sie denn mit den Gehältern von Vereinen wie Paris Saint-Germain oder dem FC Chelsea, die Millionengelder aus Katar und Russland bekommen, überhaupt mithalten?
Es ist sehr schwer. Das ist die große Herausforderung, der wir uns in der Zukunft stellen müssen. Daher sind wir Teil des Fifa Financial Fairplays. Wir begrüßen und unterstützen diese Initiative, dass man nur ausgeben kann, was man reinbekommt. Wir finden, dass es sogar noch ein bisschen härter sein könnte, denn es gibt einige Vereine, die die Vorgaben irgendwie doch umschiffen können.
Noch vor fünf Jahren hat Barcelona laut Wirtschaftsmagazin „Forbes“ die höchsten Gehälter bezahlt.
Heute tun wir das nicht mehr, Chelsea und Paris zahlen besser. Sie müssen verstehen: Spieler vergleichen immer ihr Nettogehalt. Was wir ihnen hier in Spanien zahlen hat die höchsten Steuerbelastungen in ganz Europa. Der Satz liegt bei 56 Prozent Einkommenssteuer in Barcelona, in Madrid liegt er bei 52 Prozent. Ein Spieler vergleicht sich immer mit der Premier League oder der Bundesliga auf Nettobasis. Das hat unsere Kosten extrem nach oben getrieben. Wir mussten unsere Gehälter stark erhöhen, um noch wettbewerbsfähig zu sein. Also ja: Wir verlieren Spieler nur wegen des Geldes.
Werden die Spielergehälter irgendwann aufhören zu steigen?
Nein, es wird immer weiter gehen. Ein Problem, dass wir für viele Jahre hatten: Dieses Team hat drei Mal die Champions League gewonnen und sie ist das Herz der spanischen Nationalmannschaft von 2010. Es sind neun Weltmeister in unserem Team. Natürlich haben all diese Spieler nach dem Titel ein Gehalt verlangt, dass sie in Topklubs in der Premier League oder der Bundesliga bekommen würden. Vielleicht sollten wir mehr Mittelklasse-Spieler haben – aber wir haben nun mal sehr viele hochklassige. Gute Spieler bedeuten auch hohe Gehälter. Das konnten wir kontrollieren, solange wir gute Spieler nicht ersetzen mussten. Denn dann hat man beides: die hohen Gehälter für die eigenen Spieler und hohe Summen für neue Transfers. Die Kosten sind ja auch gestiegen, weil wir dieses fantastische Team erneuern mussten.
Wie schwierig wird es, Topspieler wie Luis Suárez, Neymar und Lionel Messi langfristig zu halten?
Es wird herausfordernd, aber wir werden sie behalten. Wenn ein Klub allerdings die Stärke hat, uns diese Spieler wegzukaufen, dann kriegt er sie. Wir müssen uns anpassen an die neuen Marktumstände, an die Paris Saint-Germains und Chelseas. Wir können nicht einfach stehen bleiben. Die Spieler haben ein sehr kurzes Berufsleben und es ist ihr gutes Recht zu bekommen, was die anderen Klubs ihnen zahlen könnten. Nur weil wir als Verein noch anders sind, können wir nicht sagen: Bleib bitte hier, für das halbe Gehalt.
Letztes Jahr gab es einen Konflikt zwischen Ihnen und Messi. Er hatte einen Vertrag bis 2018 unterzeichnet und wollte nach kurzer Zeit das Gehalt erhöhen. Erst sagten Sie nein. Messi erklärte dann, dass Sie keine Ahnung von Fußball haben…
Womit er total richtig liegt (lacht). Wir haben dieses Missverständnis mit ihm und seinem Vater komplett gelöst, das Kapitel ist geschlossen. Er hat einen neuen Vertrag bekommen, der für uns beide Sinn macht. Wir haben nun beide mehr eine Art Partnerschaft. Wir helfen ihm, seinen Markenwert zu steigern und er hilft uns, die Barça-Marke weiterzubringen. Das war eine große Änderung im Vertrag.
Nach dem Champions-League-Sieg 2011 haben Sie 24 Millionen Euro Bonus an Ihre Spieler gezahlt – und gleichzeitig einen Jahresverlust von 20 Millionen eingefahren. Das hört sich für mich verrückt an…
Der Verlust kam vor allem wegen des Verkaufs von Zlatan Ibrahimović zustande. Der Preis, mit dem er in unseren Büchern stand, lag 14 Millionen über dem Preis, für den wir ihn an den AC Mailand verkauft haben. Das war der große Knick in der Bilanz. Die Bonussummen, die wir für Pokale und Meisterschaften zahlen, sind es immer wert. Man darf nicht nur auf ein Finanzjahr schauen. Man muss auf den langfristigen Markenwert und die Markenstärke schauen. Ohne Siege bekommen Sie keine Sponsoren, keine Zuschauer, keine Fernsehumsätze. Wenn Sie im nächsten Jahrzehnt wachsen wollen, müssen Sie gewinnen. Man muss um alle Titel mitkämpfen, in jedem Jahr. Man muss präsent sein, das ist wichtig für eine Marke. Und man braucht Kultspieler, die wir haben. Übrigens schreiben wir den Bonus als variables Gehalt schon in die Verträge – es ist also keine Überraschung für uns.
Was sind ihre langfristigen Ziele beim Umsatz?
Wir können 750 Millionen Euro erreichen in den nächsten fünf Jahren. Durch Marketing, durch regionale Partnerschaften – ein Feld, das bei uns gerade sehr stark wächst. Wir haben 25 regionale Partnerschaften und sind noch nicht einmal ein Zehntel des Markts angegangen. Wir sind eine globale Marke mittlerweile, wir beginnen gerade erst mit diesen Sponsorings. 2018 läuft der Vertrag mit Nike aus, der neue wird höher dotiert sein. 2016 läuft der Vertrag für das Trikotsponsoring von Qatar Airways aus, dort wird es auch mehr geben. Von der Champions-League-Vermarktung werden wir mehr bekommen. Wir werden auch mehr Geld von Fifa und Uefa bekommen, weil wir unsere Spieler bei EM- und WM-Turnieren spielen lassen.
In Deutschland haben Sie Allianz und Audi als Sponsor gewonnen, immerhin zwei Großsponsoren des FC Bayern.
Diese Konzerne haben ein sehr intelligentes Marketing. Audi hat nicht nur uns, sondern auch Real Madrid – um nicht den Markt zu kannibalisieren und nur die eine Fangruppe als potenzielle Käufer zu haben. Das ist sehr klug. Allianz ist auch ein sehr guter Partner.
Wann werden Sie endlich schuldenfrei sein?
Wir haben den Fans versprochen, die Renovierung des Stadions, die 600 Millionen Euro kostet, erst zu starten, wenn wir die Schulden unter 200 Millionen Euro gedrückt haben. Ohne die Stadionrenovierung würden wir die Schulden in vier Jahren komplett los sein. Aber wir wollen die Renovierung. Wir erwarten, dass wir 50 Prozent davon allein durch die Namensrechte reinbekommen. Der Club wird neue Schulden machen in den Jahren 2018 bis 2020, wenn wir das Stadion bauen. Bis 2025 sollen die Schulden dann komplett eliminiert sein, das ist unser 10-Jahre-Business-Plan.
Herr Faus, vielen Dank für das Gespräch.