Der schwarze Trumpf

Matthias Rath reitet mit Wunderpferd Totilas in Richtung Nationalmannschaft

Berlin – Zu jung, zu unerfahren, das Pferd ist ihm überlegen. Matthias Alexander Rath musste viel Kritik einstecken, als Ende 2010 bekannt wurde, dass der 26-Jährige der neue Reiter für das Wundertier sein wird. Für Totilas, den schwarzen Hengst, zehn Millionen Euro teuer und bislang der Trumpf der niederländischen Equipe.

Ein gutes halbes Jahr später ist Matthias Rath einer der Favoriten auf die Deutsche Meisterschaft im Dressurreiten, die heute im nordrhein-westfälischen Balve beginnt. Er und sein Rappe gelten in Fachkreisen gar als die neue deutsche Medaillenhoffnung für die EM im August in Rotterdam – und für Olympia nächstes Jahr in London.

Für Bundestrainer Holger Schmezer sind solche Prognosen zu früh: „Natürlich freut man sich, wenn man solch ein tolles Paar im Kader haben kann. Aber das ist alles noch weit weg. Wir gehen Schritt für Schritt.“ Der Coach wolle erst einmal abwarten, was bei der Deutschen Meisterschaft passiert.

Zwar haben Rath und Totilas in kurzer Zeit schon schnell zueinander gefunden – zwei Siege in zwei Disziplinen beim ersten gemeinsamen Turnier in München vor knapp zwei Wochen sind der Beleg. Aber am vergangenen Sonntag war von trauter Zweisamkeit keine Spur mehr: Beim Grand Prix in Wiesbaden bockte „Toti“, ließ den Reiter nicht mehr richtig ran, widersetzte sich den Kommandos. Die Folge: Fehler in der ersten Pirouette, Fehler in den Einer-Wechseln. Am Ende reichte es nur für Platz drei. „Totilas hat nicht so reagiert, wie es Matthias aus dem Training gewohnt war“, sagt Bundestrainer Schmezer. Erst beim Grand Prix Special einen Tag später zeigte das Duo seine ganze Klasse. Ein fehlerfreier erster Platz, benotet mit 81,479 Prozent, die beste Wertung bisher für das neue Paar.

Die Kür-Musik kommt von Paul van Dyk

Starke Leistungsschwankungen innerhalb von zwei Tagen – ist Matthias Rath zu jung für den Hengst, ist der Druck zu hoch? „Der Sport hat sich geändert. Früher war Erfahrung das Wichtigste, heute ist das Alter nicht mehr so entscheidend“, sagt Schmezer. „Als Matthias vor drei Jahren Sterntaler übernommen hat, war das auch eine Belastung, wahrscheinlich sogar die stärkere.“ Sterntaler galt damals als eines der besten Nachwuchs-Pferde, holte bei der EM 2005 die Mannschafts-Goldmedaille. Der junge Rath hingegen war neu in der Szene.

Doch der Newcomer hielt dem Druck stand: Mit Sterntaler wurde er die vergangenen drei Jahre Deutscher Meister, bei der EM 2009 wurde er Dritter mit der Mannschaft, 2010 Mannschafts-Dritter bei den Weltreiterspielen. „Natürlich ist der Druck jetzt auch hoch“, sagt Schmezer. „Das wäre bei jedem so, der dieses Pferd reiten würde.“ Für geschätzte zehn Millionen Euro holte Züchter Paul Schockemöhle das Ausnahmetier im Oktober 2010 nach Deutschland. Auch wenn Totilas derzeit wohl das beste Dressurpferd der Welt ist. „Es ist eben nicht so“, sagt Schmezer, „dass man eine Unterhose drauflegt und es von selbst reitet.“

Von heute bis Sonntag will sich Rath in Balve für den Kader der Nationalmannschaft empfehlen. Erstmals reitet er alle drei Disziplinen, am Sonntag (15.30 Uhr, WDR) gibt es die Premiere in der Kür. Die orchestrale Musik dazu hat der in Berlin geborene Produzent und DJ Paul van Dyk geschrieben, ansonsten eher für Elektro-Sounds bekannt.

Das Turnier ist richtungsweisend: Am Montag muss Schmezer seine Nominierungen für den Chio in Aachen, das größte internationale Turnier in Deutschland, abgeben. Mitte Juli tritt die Mannschaft dort beim Nationenpreis an. „Das Duo Rath/Totilas ist auf keinen Fall automatisch gesetzt“, sagt Schmezer. „Wichtig ist, dass ich viel Auswahl habe.“ Auch Isabell Werth, Ulla Salzgeber, Hubertus Schmidt und andere haben Chancen auf einen der drei Plätze im Nationalteam.

Das Zehn-Millionen-Pferd bewegt derweil die Massen. 8000 Zuschauer kamen nach Wiesbaden, so viele wie lange nicht mehr. Totilas zieht auch Nicht-Pferdefans zu den Wettkämpfen. Den Hype nimmt Trainer Schmezer gelassen. „Die Hauptsache ist“, sagt er, „dass Totilas nicht mehr gegen uns reitet“. Die vergangenen zwei Jahren gewannen die Niederländer den Chio. 2010 im Team der Holländer dabei: Edward Gal, auf Totilas.

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