Vor ein paar Tagen sprach Uefa-Präsident Michel Platini noch von einer „guten Entscheidung“ – gestern stellt er die Vergabe der Fußball-Europameisterschaft 2012 an die Ukraine erstmals in Frage.
Berlin – „Vielleicht war es ein Fehler“, zitieren ihn französische Medien. „Aber wir haben ihnen das Recht gegeben.“ Während bei Mitgastgeber Polen alles nach Plan zu laufen scheint, kommt die Ukraine ein Jahr und drei Monate vor dem Turnier nicht mehr aus den negativen Schlagzeilen heraus.
Erst mischte sich der Staat im Januar in die Belange seines nationalen Fußballverbands ein – der Entzug der EM drohte. Nun ist klar, dass die beiden Stadien in Kiew und Lwiw (Lemberg) nicht wie geplant im Juni fertig werden, sondern erst im August und November.
„Wir haben in der Ukraine noch ein paar Probleme“, sagte Uefa-Generalsekretär Gianni Infantino am Montag nach der Sitzung des Exekutivkomitees in Paris. Er hofft nun auf die Versprechungen der Regierung.
Es gibt viele Baustellen: Flughäfen, Straßen, Stadien. Jeder Airport der Spielorte – neben Kiew und Lwiw auch Donezk und Charkow – bekommt neue Landebahnen und Terminals. 4000 Kilometer Straßen werden gebaut. Zudem sind Vereinfachungen bei der Einreise von EU-Bürgern noch nicht geklärt – bislang gibt es noch beidseitige Zollkontrollen.
„Es ist eine Herausforderung für uns“ Walerij Zhaldak, Nationalbehörde EM-Vorbereitung
Immer wieder kam es zu Verzögerungen, kurze Zeit wurde Deutschland als Ersatzkandidat für die Ukraine ins Gespräch gebracht. „Wir haben keine Erfahrungen mit solch einer großen Veranstaltung“, sagt Walerij Zhaldak von der Nationalbehörde für die EM-Vorbereitung. „Es ist eine Herausforderung für uns.“ Schwierig wird auch die Unterbringung der internationalen Gäste. Erwartet werden in den drei Wochen bis zu 1,2 Millionen Besucher. Doch schon jetzt gibt es ein Platzproblem: „Das Zimmerkontingent von drei Sternen aufwärts ist schon von der Uefa weggebucht“, sagt Mathias Brandt, der die EM von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (Giz) unterstützt. Es gebe noch einen Bedarf von 40 Hotels. Aber: „Wir können innerhalb von fünf Jahren nicht an die europäischen Standards herankommen“, sagt Michael Hamalij, Berater des Organisationskomitees.
Auch wenn ein Großteil der Bevölkerung hinter dem Turnier steht – es gibt viele kritische Stimmen. Die Ausgaben seien viel zu hoch, man hätte die Millionen stattdessen ins Sozialsystem stecken und die Renten aufbessern können. Allein die Arbeiten am Kiewer Stadion verschlingen etwa 600 Millionen Euro, ursprünglich war knapp die Hälfte veranschlagt.
Bei allem Zweifel: In 15 Monaten rücken die Fanscharen und Mannschaften an. Für die Ukrainer geht es jetzt um die operative Planung: Wie betreibt man Stadien, Transport und Hotels während einer EM? „Das wird jetzt alles diskutiert und geprobt“, sagt Zhaldak von der EM-Behörde. Sicherheitspläne würden ausgearbeitet, Englischkurse für Helfer gegeben.
Unterstützung gibt’s bei alldem von Deutschland. „Wir müssen hier sehr viel Basisarbeit leisten“, sagt Brandt vom Giz. Die Ukraine verkaufe sich deutlich unter Wert, gerade im touristischen Bereich. Viele würden gar nicht wissen, dass der Ursprung der slawischen Kultur Kiew ist. Die meisten wissen aber, dass die Ukraine nicht Geburtsort des Fußballs ist. Aber in den vergangenen Jahren mauserten sich die Klubs in der Liga – Schachtjor Donezk gewann 2009 den Uefa-Cup, steht dieses Jahr im Viertelfinale der Champions League, und auch Dynamo Kiew ist noch in der Europa League dabei. Das ukrainische Nationalteam war 2006 zum ersten Mal bei der WM, überhaupt bei einem Turnier dabei – und kam gleich ins Viertelfinale.
Nächstes Jahr soll der Erfolg noch größer werden – sagt jedenfalls Ukraines Präsident Wiktor Janukowitsch. Seine Zielvorgabe: der Titel. Am besten mit einem Finale gegen Polen. Berater Hamalij ist da etwas realistischer: „Wenn wir die Vorrunde überstehen und ins Viertelfinale kommen – das wäre schon toll für uns.“